Wenn dein Hund plötzlich Schmerzen zeigt oder sogar Lähmungserscheinungen auftreten, kann ein Bandscheibenvorfall die Ursache sein. Diese häufige neurologische Erkrankung kann deinen Hund leider in jedem Alter treffen – besonders bestimmte Rassen sind gefährdet. In diesem ausführlichen Ratgeber erfährst du alles Wichtige über Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten beim Bandscheibenvorfall beim Hund.
Was genau ist ein Bandscheibenvorfall?
Stell dir die Bandscheiben deines Hundes wie kleine Stoßdämpfer vor, die zwischen den Wirbeln seiner Wirbelsäule sitzen. Sie bestehen aus einem festen äußeren Ring (Faserring) und einem weichen, gelartigen Kern im Inneren (Gallertkern). Diese Konstruktion sorgt normalerweise für eine geschmeidige Bewegung der Wirbelsäule.
Bei einem Bandscheibenvorfall wird diese wichtige Funktion gestört. Je nachdem, welche Art von Bandscheibenvorfall vorliegt, kann dies unterschiedliche Folgen haben:
Die drei Typen des Bandscheibenvorfalls beim Hund
Typ I (Hansen I): Dieser Typ tritt besonders bei kleinen Hunderassen schon ab einem Alter von einem Jahr auf. Dabei reißt der Faserring plötzlich, und der bereits verhärtete Gallertkern fällt in den Wirbelkanal vor. Dies führt zu starken, akuten Schmerzen.
Typ II (Hansen II): Größere Hunde ab etwa sechs Jahren sind häufiger von diesem Typ betroffen. Hier wölbt sich die Bandscheibe langsam vor, was zu einem schleichenden, chronischen Verlauf führt. Die Symptome entwickeln sich oft über längere Zeit.
Typ III („Explosive Disc“): Dieser Typ kann jeden Hund treffen und tritt meist bei plötzlicher Belastung auf. Der gesunde Kern schießt durch den gerissenen Faserring, ohne das Rückenmark zu quetschen.
Woran erkennst du einen Bandscheibenvorfall beim Hund?
Die Anzeichen können je nach betroffenem Bereich der Wirbelsäule sehr unterschiedlich sein. Achte besonders auf diese Warnsignale:
Bei Problemen im Halsbereich:
- Dein Hund hält Kopf und Hals steif, oft sogar tiefer als für ihn üblich
- Er zeigt Schmerzlaute, wenn du ihn am Hals berührst
- Die Nackenmuskulatur fühlt sich hart und verspannt an
- Manchmal tritt eine Lahmheit in den Vorderbeinen auf
Bei Problemen im Rücken- und Lendenbereich:
- Der Rücken deines Hundes wirkt gekrümmt/aufgewölbt
- Er hat Schwierigkeiten beim Aufstehen oder Hinlegen
- Die Hinterbeine zeigen Schwäche oder Lähmungserscheinungen
- Probleme beim Kot- und Urinabsatz können auftreten
Auch andere Schmerzzeichen können von Bedeutung sein. Lies gerne meinen Blogartikel „Schmerzen beim Hund richtig erkennen“ für mehr Infos.
Was tust du bei Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall?
Wenn du einen Bandscheibenvorfall vermutest, ist schnelles Handeln gefragt. Besonders bei plötzlich auftretenden Lähmungserscheinungen zählt jede Stunde. So hilfst du deinem Hund sofort:
- Schränke seine Bewegung ein
- Verhindere Sprünge und Treppensteigen
- Transportiere ihn auf einer festen Unterlage
- Suche umgehend einen Tierarzt auf
Übrigens: Es gibt auch einen Rückenmarksinfarkt, der ähnliche Symptome verursacht, aber eine andere Behandlung benötigt. Der TA-Besuch ist also ein unbedingtes MUSS.
Die richtige Behandlung für deinen Hund mit Bandscheibenvorfall
Je nach Schwere des Bandscheibenvorfalls gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Dein Tierarzt wird nach gründlicher Untersuchung – oft mit Hilfe von MRT oder CT – die beste Option für deinen Hund wählen.
Konservative Behandlung eines Bandscheibenvorfalls
Bei leichteren Fällen kann eine konservative Therapie ausreichen. Diese umfasst:
- Strikte Ruhigstellung für 3-4 Wochen
- Schmerzlindernde und entzündungshemmende Medikamente
- Physiotherapie nach der akuten Phase
- Langsamer Bewegungsaufbau über mehrere Monate
Operation beim Hund mit Bandscheibenvorfall
Bei schweren Fällen, besonders wenn Lähmungen auftreten, ist meist eine Operation nötig. Dabei wird das vorgefallene Bandscheibengewebe entfernt und das Rückenmark entlastet.
Die Zeit nach der Behandlung
Die Genesung braucht Zeit und Geduld. Eine professionelle Physiotherapie spielt dabei eine zentrale Rolle für die erfolgreiche Rehabilitation deines Hundes.
Physiotherapie: Der Weg zurück zur Beweglichkeit
Phase 1: Akute Phase (erste Tage nach Diagnose/OP)
In dieser Phase steht die Schmerzlinderung im Vordergrund:
- Vorsichtige Wärmeanwendungen (nach Absprache mit dem Tierarzt)
- Sanfte Massagen zur Muskelentspannung
- Passive Bewegungsübungen im Liegen
- Elektrotherapie oder Lasertherapie zur Schmerzlinderung
Phase 2: Frühe Rehabilitationsphase (ab Woche 2-3)
Jetzt beginnt der vorsichtige Aufbau:
- Assistierte Stehübungen bei Lähmungserscheinungen
- Passive Gelenkbewegungen
- Leichte Balanceübungen im Stehen
- Gezielte Massage der Rückenmuskulatur
Phase 3: Aktive Rehabilitationsphase (ab Woche 4-6)
Der Fokus liegt nun auf aktivem Muskelaufbau:
Unterwassertraining:
- Schonender Muskelaufbau durch den Wasserwiderstand
- Training auf verschiedenen Untergründen (Rasen, Sand, Matten)
- Langsames Gehen über Cavaletti-Stangen
- Vorsichtige Balance-Übungen
- Gewichtsverlagerungsübungen im Stand
Phase 4: Aufbauphase (ab Monat 2-3)
Aktive Übungen für Zuhause:
Mit Absprache eines entsprechend geschulten Therapeuten kannst du mit deinem Hund in ein Bewegungs-Programm starten.
Kontaktiere mich gerne, wenn du mit deinem Hund einen individuellen Plan haben möchtest.
Unterstützende Maßnahmen beim Bandscheibenvorfall beim Hund:
Wärmetherapie nach Rücksprache mit Therapeuten:
- Wärmekissen oder -lampe (nie direkt auf die Haut) Maximal 15-20 Minuten pro Anwendung
- Besonders vor Bewegungsübungen hilfreich
Mehr zur Wärmtherapie erfährst du in meinem Blogartikel „Wärme-und Kältetherapie“.
Massage nach Rücksprache mit Therapeuten:
- Sanfte Streichungen entlang der Wirbelsäule
- Vorsichtige Knetungen der Muskulatur
- Kreisende Bewegungen an verspannten Stellen
Wenn du lernen möchtest, wie du deinen Hund richtig massiert, empfehle ich dir meinen Online-Vortrag „Massage am eigenen Hund“.
Hilfsmittel für den Alltag:
- Rutschfeste Matten für glatte Böden
- Rampen statt Treppen
- Orthopädisches Hundebett
- Gepolstertes Brustgeschirr
Aktuelle Forschung und neue Therapieansätze beim Bandscheibenvorfall beim Hund
Die Wissenschaft macht kontinuierlich Fortschritte im Verständnis und der Behandlung von Bandscheibenvorfällen.
Innovative Behandlungsmethoden
Die Forschung konzentriert sich besonders auf den Schutz des Rückenmarks nach einer Verletzung (Neuroprotektion). Dabei werden verschiedene Ansätze untersucht:
- N-Acetylcystein (NAC): Ein Antioxidans, das oxidativen Stress reduziert
- Matrix-Metalloproteinase-Blocker: Diese Medikamente können das Fortschreiten der Rückenmarksverletzung begrenzen
- Stammzelltherapie: Besonders in chronischen Fällen eine vielversprechende Option
- Polyethylen-Glykol (PEG): Zeigt in Studien positive Effekte auf die Nervenheilung
Bessere Prognosestellung durch Biomarker
Neue Untersuchungsmethoden helfen Tierärzten, die Heilungschancen besser einzuschätzen:
- Tau-Protein im Nervenwasser: Ein erhöhter Wert über 41,3 pg/ml deutet auf eine schwerere Verletzung hin
- Myelin-Basisches Protein: Gibt Hinweise auf das Ausmaß der Nervenschädigung
- Creatinkinase: Die Aktivität dieses Enzyms kann auf die Verletzungsschwere hinweisen
Wann ist der beste Zeitpunkt für eine Operation beim Bandscheibenvorfall?
Die Forschung zeigt: Je früher operiert wird, desto besser sind die Chancen auf vollständige Heilung. Idealerweise sollte eine notwendige Operation innerhalb der ersten 6-8 Stunden erfolgen. Ist dies nicht möglich, kann auch eine Operation innerhalb der ersten drei Tage noch gute Ergebnisse bringen.
Was bedeutet das für dich als Hundehalter?
Auch wenn viele dieser Therapien noch in der Forschung sind, gibt es wichtige Erkenntnisse für die Praxis:
- Schnelles Handeln ist entscheidend
- Auch bei schwerem Verlauf (ohne Tiefenschmerz) besteht eine 50%-Chance auf Heilung
- Neue Therapieoptionen können mit klassischen Behandlungen kombiniert werden
- Die Prognose lässt sich heute besser einschätzen
Vorbeugung eines Bandscheibenvorfalls?
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Um das Risiko eines Bandscheibenvorfalls zu reduzieren, kannst du einige wichtige Maßnahmen ergreifen:
- Halte deinen Hund schlank – Übergewicht belastet die Wirbelsäule
- Sorge für regelmäßige, für deinen Hund passende Bewegung
- Vermeide bei gefährdeten Rassen übermäßiges Springen
- Stelle ausreichend Wasser zur Verfügung – gute Flüssigkeitsversorgung ist wichtig für die Bandscheiben
Fazit
Ein Bandscheibenvorfall ist zwar eine ernste Erkrankung, aber in den meisten Fällen gut behandelbar. Der wichtigste Faktor für eine erfolgreiche Behandlung ist die schnelle Reaktion bei ersten Anzeichen. Mit der richtigen Vorsorge und einem aufmerksamen Blick für die Bedürfnisse deines Hundes kannst Du das Risiko deutlich senken und im Ernstfall schnell reagieren.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Hunderassen sind besonders gefährdet?
Besonders kleine Rassen mit langem Rücken wie Dackel, Französische Bulldoggen, Pekinesen, Beagles und Cocker Spaniel haben ein erhöhtes Risiko.
Wie wird die Prognose bestimmt?
Neben der klinischen Untersuchung können heute verschiedene Biomarker im Nervenwasser gemessen werden. Diese geben zusätzliche Hinweise auf die Heilungschancen.
Gibt es neue Therapiemöglichkeiten?
Ja, die Forschung macht stetige Fortschritte. Neben klassischen Behandlungen werden heute auch innovative Therapien wie Stammzellbehandlungen oder neuroprotektive Medikamente erforscht.
Wie lange kann man mit einer Operation warten?
Im Idealfall sollte eine notwendige Operation innerhalb der ersten 6-8 Stunden erfolgen. Ist dies nicht möglich, kann auch eine Operation innerhalb der ersten drei Tage noch gute Ergebnisse bringen.
Was bedeutet „Extrusion“ und „Protrusion“?
- Extrusion (Hansen Typ I): Der Gallertkern tritt plötzlich durch den gerissenen Faserring aus
- Protrusion (Hansen Typ II): Der Faserring wölbt sich langsam vor und drückt auf das Rückenmark
Welche Rolle spielt die Durchblutung?
Eine gute Durchblutung ist essentiell für die Bandscheibengesundheit. Mangelnde Durchblutung kann zur Degeneration der Bandscheiben beitragen. Deshalb sind regelmäßige Bewegung und gute Ernährung so wichtig.
Wann muss ich sofort zum Tierarzt?
Sofortiger Handlungsbedarf besteht bei:
- Plötzlichen Lähmungserscheinungen
- Starken Schmerzen
- Problemen beim Urinieren oder Kotabsetzen
- Koordinationsstörungen
Was kostet die Behandlung?
Die Kosten variieren stark:
- Konservative Behandlung: 500-1.500 €
- Operation: 2.500-5.000 € inklusive Nachsorge Eine Tierkrankenversicherung kann die Kosten meistens übernehmen.
*Werbung: Lasse dich kostenlos von einem unabhängigen Versicherungsmaklerbüro beraten. Ich empfehle meinen Kunden stets Dogtorance.
Wie lange dauert die Genesung?
Die Heilungszeit variiert stark: Bei konservativer Behandlung etwa 4-8 Wochen, nach einer Operation 3-4 Monate. Manchmal kann die vollständige Genesung auch länger dauern.
Kann mein Hund wieder ganz gesund werden?
Die Chancen stehen bei früher Behandlung gut. Selbst bei schweren Fällen können viele Hunde mit der richtigen Therapie wieder ein aktives Leben führen.
Muss ich meinen Hund einschläfern lassen?
Selbst bei schweren Lähmungen können viele Hunde mit guter Pflege noch Jahre leben. Diese Entscheidung hängt von der individuellen Situation ab und sollte in Ruhe mit dem Tierarzt besprochen werden.
Quellen u.a.:
INTERVERTEBRAL DISK DISEASE – TRADITION VERSUS CURRENT VIEWS ON TREATMENT
Intervertebral disk degeneration in dogs: consequences, diagnosis, treatment, and future directions