Leben mit chronisch krankem Hund – Teil 4 – die Tierarztkosten

„Geld spielt keine Rolle, wenn es um meinen Hund geht.“ Diesen Satz hört mein Mann regelmäßig von mir und auch in der Praxis fällt er bisweilen. Viele von uns würde wohl ihr „letztes Hemd“ geben, wenn es darum geht unserem Hund zu helfen.

Aber die Realität sieht anders aus: Geld spielt sehr wohl eine Rolle. Und das ist okay.

Nach 19 Jahren mit chronisch kranken Hunden und etlichen Gesprächen mit Hundebesitzern weiß ich: Die finanzielle Belastung ist durchaus auch einer der Stressfaktoren in dieser ohnehin schweren Situation. Trotzdem sprechen nur wenige offen darüber. Es ist Zeit, das Tabu zu brechen.

Du bist kein schlechter Mensch, wenn du dir Gedanken über die Kosten machst. Du bist verantwortlich.

Kosten Tierarzt beim chronisch kranken Hund sind eine Belastung

Tierarztkosten beim chronisch kranken Hund können zur starken Belastung werden.

Die Realität der Kosten für Tierarzt & Co

Bevor wir über Strategien sprechen, lass uns ehrlich über die Zahlen reden. Eine chronische Krankheit beim Hund kann – je nach Schweregrad und Krankheitsbild – zwischen 100 und 1000 Euro monatlich kosten. Über Jahre hinweg. Am Ende des Beitrages offenbare ich unsere Zahl bzgl. Flynn. 

Typische Kostenfaktoren (Erfahrungswerte):

  • Medikamente: 50-300 Euro monatlich, je nach Krankheit
  • Regelmäßige Kontrolluntersuchungen: 50-300 Euro alle 4-12 Wochen
  • Spezialuntersuchungen: 200-800 Euro bei Verschlechterungen
  • Physiotherapie: 40-80 Euro pro Sitzung
  • Spezialfutter/Nahrungsergänzungsmittel: 20-80 Euro monatlich
  • Hilfsmittel: 50-500 Euro einmalig, je nach Bedarf

Diese Zahlen schockieren dich? Oder kennst du sie schon und lebst damit?

Der Tierarztkosten-Schock: Eine normale Reaktion

So mancher Hundebesitzer bei mir in der Praxis ist dann doch erstmal überrascht, wenn wir über die sinnvollen therapeutischen Maßnahmen sprechen oder darüber, was bei der Diagnose ihres Hundes finanziell auf sie zukommen könnte oder wird, z.B. bei notwendigen Operationen (zwei künstliche Hüftgelenk schlage dann halt mit mehreren tausend Euros zu Buche). Und es kam auch schon die Aussage: „Wie soll ich das bezahlen?“ Und es braucht sich niemand für diese Frage zu schämen!

Wenn du nicht gerade eine gut Krankenversicherung abschlossen oder über ein dickes Bankkonto verfügst, ist diese Reaktion ist völlig normal und sogar wichtig. Finanzielle Sorgen verstärken den ohnehin schon hohen Stress.

Brutale Ehrlichkeit: Deine finanziellen Grenzen definieren

Das ist der schwierigste Teil, aber auch der wichtigste: Du musst deine Grenzen kennen und akzeptieren. Nicht alle Hundebesitzer können alle möglichen Behandlungen finanzieren. Das macht sie nicht zu schlechteren Menschen.

Frage dich ehrlich:

  • Wie viel kannst du monatlich für die Behandlung aufbringen, ohne deine eigene Existenz zu gefährden?
  • Bis zu welcher Summe kannst du im Notfall gehen, ohne dich zu verschulden?
  • Welche Einschnitte in deinem Leben bist du bereit zu machen?

Diese Grenzen sind nicht in Stein gemeißelt. Sie können sich ändern, wenn sich deine Situation ändert. Aber sie zu kennen, hilft dir bei schweren Entscheidungen.

In den ersten Jahren mit Flynn hatte ich phasenweise 4 Jobs, habe teilweise 70 Stunden die Woche gearbeitet. Und war am Ende physisch und psychisch am Ende. Und ich sage ganz ehrlich und offen: Wären nicht meine Eltern und mein jetziger Mann nicht immer mal wieder auch finanziell eingesprungen…ich weiß nicht, wo ich heute stünde. Ich wäre wahrscheinlich obdachlos geworden. Nein, das hätte meine Eltern nicht zugelassen, aber ja, mehr als einmal wusste ich nicht mehr, wie ich eine Tierarztrechnung oder meine Miete bezahlen sollte. 

Die Kosten eines chronisch kranken Hundes können sich auf hohe Summen belaufen.

Nur Flynn und ich – es wäre hart geworden: 1000,- monatliche Tierarztkosten waren keine Seltenheit

Spartipps aus der Praxis für Tierarztkosten und Medikamente

Es gibt Wege, den ein oder anderen Euro zu sparen:

Bei Medikamenten:

  • Generika nutzen: Frage deinen Tierarzt nach günstigeren Alternativen zum Originalpräparat
  • Großpackungen bestellen: Bei Dauermedikation oft günstiger, aber nur bei stabiler Dosierung
  • Online-Apotheken vergleichen: Teilweise erhebliche Preisunterschiede, aber Vorsicht bei der Seriosität

Bei Untersuchungen:

  • Zweitmeinung strategisch einholen: Bei teuren Behandlungsempfehlungen
  • Notfallzeiten vermeiden: Reguläre Sprechstunden sind günstiger als Notdienst

Bei der Diagnostik:

  • Stufenweise Diagnostik: Nicht alle Untersuchungen müssen sofort gemacht werden, wenn es medizinisch vertretbar ist
  • Viel selbst dokumentieren und vorbereitet haben: Symptom-Tagebuch spart Zeit beim Tierarzt

Ja, dicke sparen ist nicht wirklich möglich, aber auch Kleinigkeiten können hilfreich sein.

Krankenversicherung: Fluch oder Segen?

Die Krankenversicherung für Hunde ist ein komplexes Thema. Ich habe inzwischen meine Meinung doch geändert: Vor einigen Jahren habe ich meinen Kunden eher davon abgeraten. Ich selbst hatte für Flynn keine, aber sind wir realistische: Die hätten mir sehr sehr schnell gekündigt – so wie es bei Yuno eben gelaufen ist. Aber: Hast du keine Möglichkeit so viel zu sparen, dass du eine sagen wir 5000,-EUR-OP ad hoc bezahlen kannst, lohnt es sich definitiv darüber nachzudenken.

Die Vorteile:

  • Finanzielle Sicherheit bei großen Behandlungen
  • Weniger Stress bei Entscheidungen über teure Therapien
  • Planbare monatliche Kosten

Die Nachteile:

  • Hohe monatliche Beiträge, besonders bei älteren Hunden
  • Wartezeiten und Ausschlüsse bei Vorerkrankungen
  • Oft komplizierte Abrechnungen und begrenzte Erstattungen
  • Bei chronischen Krankheiten oft Leistungsausschlüsse

Meine Empfehlung: Wenn dein Hund noch jung und gesund ist, kann eine Versicherung sinnvoll sein. Bei bereits bestehenden chronischen Krankheiten ist es meist zu spät und zu teuer.

*Werbung: Lass dich beraten von einer unabhängigen Firma/Maklerbüro! Mach nicht meinen Fehler und versuche es alleine. Und ich habe gründlich verglichen etc, aber mir fehlten schlicht die Erfahrungswerte mit den einzelnen Versicherungen. Ich empfehle inzwischen all meinen Kunden: Dogtorance. Und hier kannst du dich für einen kostenlosen Beratungstermin eintragen lassen. Lass dich also beraten und entscheide dann.

Der Notfall-Finanzplan für die Tierarztkosten

Auch mit der besten Planung können unvorhergesehene Kosten auftreten. Ein akuter Verschlechterungsschub, eine Notoperation oder neue Therapieansätze können schnell vierstellige Summen bedeuten.

Dein Notfall-Finanzplan sollte enthalten:

  • Notgroschen: Ein separates Sparkonto nur für Hundekosten
  • Kreditrahmen: Einen ungenutzten Dispokredit oder Kreditkartenrahmen für echte Notfälle
  • Familie/Freunde: Absprachen mit nahestehenden Personen über mögliche Unterstützung
  • Ratenzahlungen: Vorab mit deinem Tierarzt über Zahlungsmodalitäten sprechen

Alternative Finanzierungsquellen

Es gibt mehr Möglichkeiten, als viele denken:

  • Tierärztliche Ratenzahlung: Viele Praxen bieten inzwischen Ratenzahlungen an. Sprich das Thema frühzeitig an, nicht erst wenn die Rechnung fällig ist.
  • Tierhilfsorganisationen: Einige Vereine unterstützen Hundebesitzer in finanziellen Notlagen. Die Kriterien sind oft streng, aber einen Versuch ist es wert.
  • Crowdfunding: Für außergewöhnliche Behandlungen sammeln manche Hundebesitzer online Spenden. Das funktioniert nicht immer und man muss diese Art des „Bettelns“ mögen.
  • Pfandleihe/Verkauf: In echten Notfällen können Wertgegenstände vorübergehend zu Geld gemacht werden.
TA Kosten sind nicht zu unterschätzen

Wenn die Tierarztkosten einfach zu hoch sind, gibt es durchaus Möglichkeiten für Hilfe. Ob man diese in Anspruch nehmen möchte, muss jeder für sich selbst entscheiden. 

Kostenfallen erkennen und vermeiden

Manche Ausgaben sind unvermeidlich, andere nicht. Nach Jahren der Erfahrung erkenne ich typische Kostenfallen:

  • Übertherapie aus Verzweiflung: Der Versuch, mit allen möglichen Zusatztherapien eine unheilbare Krankheit doch noch zu heilen. Manchmal ist weniger mehr.
  • Teure Spezialfutter ohne Nutzen: Nicht jedes beworbene Diätfutter bringt wirklich Vorteile. Frage kritisch nach dem konkreten Nutzen.
  • Doppeluntersuchungen: Wenn du die Praxis wechselst, lass dir Befunde mitgeben. Neue Ärzte müssen nicht alles wiederholen.
  • Homöopathie und fragwürdige Therapien: Sei skeptisch bei teuren alternativen Behandlungen ohne wissenschaftlichen Nachweis.

Wenn das Geld nicht reicht

Das ist der schwerste Teil dieses Artikels, aber er muss geschrieben werden: Manchmal reicht das Geld einfach nicht für alle möglichen Behandlungen. Das bedeutet nicht automatisch, dass du deinen Hund aufgeben musst.

Optionen in finanziellen Notlagen:

  • Prioritäten setzen: Welche Behandlungen sind wirklich lebensnotwendig?
  • Palliative Pflege: Schmerzlinderung und Lebensqualität statt Heilung
  • Rehoming: In extremen Fällen kann die Abgabe an jemanden mit mehr finanziellen Mitteln das Beste für den Hund sein
  • Realistische Prognose: Ehrliche Gespräche mit dem Tierarzt über Kosten vs. Lebensqualität

Die emotionale Seite der Geldsorgen

Finanzielle Probleme bei der Hundebehandlung gehen weit über das reine Rechnen hinaus. Sie lösen tiefe emotionale Konflikte aus:

Schuldgefühle: „Wenn ich mehr Geld hätte, könnte ich ihm besser helfen.“ Hilflosigkeit: „Ich kann nicht mal das für ihn tun.“ Scham: „Andere würden mehr investieren.“ Angst: „Was passiert, wenn eine teure Notbehandlung nötig wird?“
Diese Gefühle sind verständlich, aber sie helfen niemandem. Deine Liebe zu deinem Hund misst sich nicht an der Höhe der Tierarztrechnungen.
Du gibst dein Bestes!

Egal wie viel oder wenig Geld du für die Behandlung deines Hundes aufbringen kannst – solange du dein Bestes gibst und verantwortungsbewusst handelt, brauchst du keine negativen Gefühle zu haben.

Ein finanziell ruinierter Hundebesitzer kann seinem Hund nicht langfristig helfen. Ein durchdachter, realistischer Finanzplan hingegen ermöglicht es dir, über Jahre hinweg die bestmögliche Versorgung zu bieten.
Du musst dich nicht rechtfertigen für das, was du dir leisten kannst. Du musst dich nur entscheiden, das Beste daraus zu machen.

So, ich habe dir ja noch unsere Zahl versprochen: Flynn hat in seinem Leben (nächste Woche wird er 13J. – für uns und seine TÄ das 8. Weltwunder) ca. 120.000 EUR gekostet an Tierarzt, alternativen Behandlungsmethoden, Spezialfutter etc etc. Das ist sicherlich nicht die Norm für einen chronisch kranken Hund. Und uns ist bewusst, dass da bei vielen auch schon rein finanziell früher Schluss gewesen wäre. Wir haben auf sehr vieles verzichtet, um das möglich zu machen. Zu Flynn´s und meinen Glück hatte ich meinen Mann zu Flynn´s 5. Geburtstag zu einem seiner Freunde sagen hören: Und wenn uns die nächsten 5 Jahre nochmal so viel Geld kosten (da waren wir bei ca. 60.000 EUR), dann ist das jeden Cent wert. Und das passte so gut zu meiner Aussage: Es tut im Geldbeutel weh, aber nicht im Herzen. 


Im nächsten Artikel der Serie widmen wir uns einem sehr konkreten Thema: Urlaub und Reisen mit chronisch krankem Hund – geht das überhaupt noch, und wenn ja, wie?