Es gibt eine neue Studie zu Librela.
Erinnerst du dich noch an meinen ausführlichen Artikel über Librela für Hunde, in dem ich die Vor- und Nachteile der „Arthrose-Spritze“ beleuchtet habe? Damals konnte ich aus meiner Praxiserfahrung berichten, dass etwa 60% meiner Patienten eine Verbesserung zeigten, während bei 40% keine oder unerwünschte Wirkungen auftraten. Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass mir besonders Harninkontinenz, Durchfall und eine Schwäche der Hinterhand bei meinen Patienten aufgefallen waren. Über Alternativen und Erfahrung zu Librela habe ich einen weiteren Artikel geschrieben.
Nun ist eine neue Studie erschienen, die meine damaligen Bedenken bezüglich Nebenwirkungen ein Stück weit bestätigt – insbesondere was jüngere Hunde betrifft.
Was zeigt die neue Studie über Librela?
Eine internationale Expertengruppe unter der Leitung von Mike Farrell hat eine umfassende Analyse der muskuloskelettalen Nebenwirkungen von Librela durchgeführt. Die Studie, die im Januar 2025 veröffentlicht wurde, untersuchte die Datenbank der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) von 2004 bis 2024 und verglich Librela mit sechs anderen Arthrose-Medikamenten für Hunde.
Die Ergebnisse wirken erschreckend: **Bänder- und Sehnenverletzungen, Polyarthritis, Knochenbrüche, muskuloskelettale Tumore und septische Arthritis traten bei Librela-behandelten Hunden etwa 9-mal häufiger auf als bei allen anderen Vergleichsmedikamenten zusammen.**

Neue Studie sind wichtig – so wie über Librela. Und es ist wichtig zu bewerten. Bild: VitaliTier
Die Zahlen der neuen Studie zu Librela im Detail
Von insgesamt 878 untersuchten muskuloskelettalen Nebenwirkungsberichten waren 789 (das sind 90%!) dem Medikament Librela zuzuordnen. Noch alarmierender: Librela sammelte in nur 45 Monaten seit seiner Markteinführung etwa 20-mal mehr Berichte über muskuloskelettale Probleme als das am häufigsten gemeldete Vergleichsmedikament (Rimadyl) und sogar 3-mal mehr als alle Vergleichsmedikamente zusammen über einen Zeitraum von 20 Jahren!
Jetzt dürfen wir aber dabei eines nicht vergessen: Die Meldungen über Librela treten nach meinem Empfinden gehäufter auf als bei anderen Medikamenten. Verständlich: Es ist noch nicht so lange auf dem Markt, wird also kritischer „beäugt“ als lang etablierte Medikamente. Das hat Vor- und Nachteile für beide Sparten.
Expertenbewertung: Einstimmiger Verdacht auf Kausalzusammenhang
Das Ergebnis der Expertenbewertung: Ein 18-köpfiges internationales Expertenteam, bestehend aus Orthopäden, Bildgebungsspezialisten und anderen Fachleuten, untersuchte 19 Einzelfälle von schweren muskuloskelettalen Problemen bei Librela-behandelten Hunden. **Das Ergebnis war einstimmig: Alle 18 Experten sahen einen starken Verdacht auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Bedinvetmab (dem Wirkstoff von Librela) und beschleunigter Gelenkzerstörung.**
Welche Relevanz wir einzelne Hundehalter 19 Fällen im Vergleich zu den vielen vielen Anwendungen geben, bleibt meiner Meinung nach eine Individualentscheidung. Meine Entscheidung bzgl. meiner Hunde findest du unten.
Rapidly Progressive Osteoarthritis (RPOA) – Ein bekanntes Problem aus der Humanmedizin
Du erinnerst dich vielleicht daran, dass ich in meinem ersten Artikel erwähnt hatte, dass der Nervenwachstumsfaktor (NGF) nicht nur bei der Schmerzwahrnehmung eine Rolle spielt, sondern auch an vielen anderen Prozessen im Körper beteiligt ist. Diese Bedenken haben sich nun als berechtigt erwiesen.
Aus der Humanmedizin ist bereits seit 2012 bekannt, dass NGF-blockierende Antikörper zu einer sogenannten „Rapidly Progressive Osteoarthritis“ (RPOA) führen können – einer rapide fortschreitenden Gelenkzerstörung. Die FDA hatte damals sogar einen zweijährigen Stopp aller klinischen Studien verhängt und strenge Sicherheitsauflagen eingeführt. Trotz dieser Maßnahmen blieb das Risiko bestehen.
Die konkreten Fälle der neuen Studie zu Librela
Die in der Studie dokumentierten Fälle sind natürlich erschreckend. Hier einige Beispiele:
– **Ein junger Labrador Retriever** entwickelte nach 6 Librela-Injektionen beidseitige Knochenbrüche in den Ellenbogengelenken, obwohl ursprünglich nur eine milde Arthrose behandelt werden sollte
– **Ein 8-jähriger English Bull Terrier** bekam bereits 3 Wochen nach der ersten Spritze massive Schwellungen und entwickelte binnen kurzer Zeit so schwere Gelenkzerstörungen, dass ein Sprunggelenk luxierte
– **Ein 7,5-jähriger Labrador** mit normalen CT-Befunden vor der Behandlung entwickelte eine „fulminante“ (explosionsartige) Knochenbildung um die Gelenke
Diese Fälle zeigen ein Muster, das weit über normale Arthrose-Progression hinausgeht. Von den 19 untersuchten Hunden erlitten 37% Knochenbrüche und 10,5% Gelenkverrenkungen – alles Ereignisse, die bei einer normalen Arthrose-Behandlung nicht zu erwarten wären. Diese 3 erwähnten Fälle zeigen aber auch eines: Es waren recht junge Patienten…

Meiner Meinung nach: Bewerte die neuen Studieergebnisse über Librela für dich und deinen Hund. Bild: VitaliTier
Was bedeutet die neue Studie über Librela für dich und deinen Hund?
Letztendlich musst du das für dich alleine entscheiden. Ich bin nun einfach noch mehr der Meinung: Es gehört sich gut überlegt, ob das für den individuellen Hund ein gute Option ist.
Meine Empfehlungen:
Vor einer Librela-Behandlung solltest du unbedingt:
– Eine ausführliche Röntgenaufnahme der betroffenen Gelenke machen lassen, um eine Ausgangssituation zu dokumentieren
– Mit deinem Tierarzt über alternative Behandlungsmöglichkeiten sprechen
– Den ganzheitlichen Ansatz mit Physiotherapie, Gewichtsmanagement und Nahrungsergänzungsmitteln voll ausschöpfen
– Die neuen Erkenntnisse in die Risiko-Nutzen-Abwägung einbeziehen
Während einer Librela-Behandlung:
– Engmaschige Kontrollen durchführen lassen
– Bei den ersten Anzeichen von Verschlechterung, neuen Lahmheiten oder Schwellungen sofort den Tierarzt kontaktieren
– Regelmäßige Röntgenkontrollen durchführen lassen, um mögliche Gelenkveränderungen frühzeitig zu erkennen
Der ganzheitliche Ansatz wird noch wichtiger
Diese Studienergebnisse bestätigen meine Überzeugung, dass ein ganzheitlicher Ansatz bei Arthrose der sicherste Weg ist. In meiner Praxis sehe ich täglich, wie effektiv die Kombination aus Physiotherapie, gezielten Übungen, Gewichtsmanagement und natürlichen Unterstützungsmaßnahmen sein kann.
Denk daran: Kamen die Patientenbesitzer trotz der Therapie mit der „Schmerzspritze“ wieder zu mir? Ja, kamen sie! Denn wie ich schon in meinem ersten Artikel schrieb – sie wirkt eben nicht bei allen Arten von Schmerzen, und im Rahmen der Physiotherapie und Osteopathie kann ich ganzheitlicher arbeiten und therapieren.
Mein Fazit zu Librela nach den neuen Erkenntnissen
Nach dieser neuen Studienlage kann ich Librela nicht mehr als erste Wahl für die Arthrose-Behandlung empfehlen – das habe ich allerdings auch vorher nicht in allen Fällen!
Solltest du eine Librela-Behandlung in Erwägung ziehen, dann ist meine Empfehlung:
– Erst andere Behandlungsansätze sinnvoll testen
– Mit vollständiger Aufklärung über die neuen Risiken
– Mit engmaschiger Überwachung
– Mit detaillierter Bildgebungsdiagnostik vor und während der Behandlung
Übrigens: Amy wird wohl nun die „Arthrose-Spritze“ erhalten. Warum? Sie ist inzwischen 13 J., die üblichen Schmerzmittel und Therapien funktionieren nicht ausreichend. Und ich sage: Lieber ist ihre Zeit bei uns nun ggf. etwas kürzer, dafür aber schmerzfreier und damit mit einer höheren Lebensqualität. Flynn, ebenfalls 13 J. wird sie nicht erhalten. Warum? Weil er eh schon Probleme in denen Bereich hat, die typischer Weise von Nebenwirkungen betroffen sind. Und Yuno? Ja, auch für ihn wurde mir das schon vorgeschlagen. Nein, er ist zu jung, erst recht im Hinblick auf die Erkenntnisse der neuen Librela-Studie. Noch habe ich seine Schmerzen und Einschränkungen anderweitig im Griff.
Die Kontroverse: Verschiedene Sichtweisen in der Tierärzteschaft
Es ist wichtig zu erwähnen, dass nicht alle Tierärzte die neuen Studienergebnisse gleich bewerten. Dr. Ralph Rückert, ein erfahrener Kollege, hat eine deutlich andere Sichtweise zu Librela veröffentlicht. Er berichtet von hundertfachen erfolgreichen Anwendungen in seiner Praxis und sieht Librela weiterhin als vergleichsweise sicheres Präparat an.
Rückert betont zu Recht einen wichtigen wissenschaftlichen Grundsatz: den Unterschied zwischen Korrelation (zeitlichem Zusammentreffen) und Kausalität (ursächlichem Zusammenhang). Er argumentiert, dass ohne pathologische Untersuchungen keine definitiven Schlüsse über Ursache-Wirkungs-Beziehungen gezogen werden können. Zudem weist er darauf hin, dass ältere Hunde, die hauptsächlich Librela erhalten, oft an mehreren Erkrankungen gleichzeitig leiden (Komorbidität).
Unterschiedliche Meinungen in der Tierärzteschaft sind normal und wichtig für den wissenschaftlichen Fortschritt. Was zählt, ist, dass du als Hundebesitzer vollständig über alle verfügbaren Informationen aufgeklärt wirst – sowohl über die positiven Erfahrungen vieler Tierärzte als auch über die neuen wissenschaftlichen Bedenken.
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Wenn dein Hund Arthrose hat, empfehle ich dir mein bewährtes Arthrose-Programm für Zuhause: Diagnose Arthrose – das kannst du tun
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Quellen:
Musculoskeletal adverse events in dogs receiving bedinvetmab (Librela)
Librela: Paranoia, schlechter Journalismus, mal wieder Social-Media-Hysterie