Übergewicht beim Hund ist immer noch ein oft unterschätztes Gesundheitsrisiko.
„Ach, ist der süß – der isst aber gerne, nicht wahr?“ Solche gut gemeinten Kommentare kennst du sicher, wenn dein Hund ein paar Kilos zu viel auf den Rippen hat. Was viele Menschen niedlich finden, ist in Wirklichkeit aber ein ernsthaftes Gesundheitsproblem. Unsere Hunde werden immer dicker – na, zumindest zu viele.
Quick Check: Hat dein Hund Übergewicht?
Nimm dir kurz Zeit und prüfe folgende Punkte bei deinem Hund. Sei dabei ehrlich mit dir selbst.
🐾 Die Rippen-Probe Leg deine Hände seitlich an den Brustkorb deines Hundes:
- Spürst du die Rippen mühelos? → Normal
- Musst du fest drücken, um sie zu fühlen? → Mögliches Übergewicht
- Findest du sie gar nicht? → Deutliches Übergewicht
🐾 Der Taille-Test Schau von oben auf deinen stehenden Hund:
- Erkennst du eine „Sanduhrenform“? → Normal
- Ist die Taille kaum zu sehen? → Mögliches Übergewicht
- Bildet der Körper eine gerade Linie oder wölbt sich nach außen? → Deutliches Übergewicht
🐾 Die Bauchansicht Betrachte deinen Hund von der Seite:
- Zieht sich die Bauchlinie nach oben? → Normal
- Verläuft sie fast gerade? → Mögliches Übergewicht
- Hängt der Bauch nach unten? → Deutliches Übergewicht
🐾 Der Alltags-Check Beobachte deinen Hund im Alltag:
- Wird er bei Aktivitäten schnell müde?
- Hat er Schwierigkeiten beim Aufstehen?
- Spielt er weniger gern als früher?
- Hechelt er schneller als sonst? Wenn du mehrere dieser Fragen mit „ja“ beantwortest, könnte Übergewicht ein Grund sein. (Selbstverständlich können auch Schmerzen ein Grund für diese Auffälligkeiten sein. Hier findest du mehr Infos zur Schmerzerkennung bei Hunden.)
Hast du bei einem oder mehreren Punkten festgestellt, dass dein Hund möglicherweise zu schwer ist? Dann lies unbedingt weiter – ich erkläre dir genau, warum Übergewicht so gefährlich ist und was du dagegen tun kannst.
Wann spricht man von Übergewicht beim Hund?
Die Definition von Übergewicht ist bei Hunden gar nicht so einfach, denn jede Rasse hat ihre eigenen Idealmaße. Ein Labrador sollte natürlich ein anderes Gewicht haben als ein Chihuahua. Tierärzte nutzen daher den Body Condition Score (BCS), eine Skala von 1 bis 9:
- 1-3: Untergewicht
- 4-5: Idealgewicht
- 6-7: Übergewicht
- 8-9: Schweres Übergewicht (Adipositas)
Eine weitere Orientierung gibt dir der prozentuale Vergleich mit dem Idealgewicht der jeweiligen Rasse. Wiegt dein Hund 10-20% mehr als für seine Rasse üblich, gilt er als übergewichtig. Bei mehr als 20% über dem Idealgewicht sprechen wir bereits von Adipositas.
Warum Übergewicht beim Hund so gefährlich ist
Vielleicht denkst du jetzt: „Ein paar Kilo zu viel sind doch nicht so schlimm?“ Lass mich dir ein Beispiel geben: Stell dir einen 30 Kilo schweren Labrador vor, der 5 Kilo zu viel wiegt. Das entspricht bei einem 70 Kilo schweren Menschen einem Übergewicht von über 11 Kilo! Plötzlich wirken die „paar Kilos“ gar nicht mehr so harmlos, oder?
Die zusätzlichen Kilos können deinem Hund ernsthaft schaden:
Belastung für die Gelenke
Mit jedem zusätzlichen Kilo steigt die Belastung für Hüfte, Knie und Ellbogen. Das führt nicht nur zu vorzeitigem Gelenkverschleiß, sondern erhöht auch das Risiko für:
- Schmerzhafte Arthrose
- Bandscheibenvorfälle
- Kreuzbandrisse
- Dauerhafte Bewegungseinschränkungen
Herz-Kreislauf-System unter Druck
Das zusätzliche Gewicht belastet das gesamte Herz-Kreislauf-System:
- Erhöhter Blutdruck
- Verstärkte Herzarbeit
- Risiko für Herzinsuffizienz
- Verminderte Ausdauerfähigkeit
Stoffwechselprobleme
Übergewicht beeinflusst den gesamten Stoffwechsel:
- Erhöhtes Diabetesrisiko
- Leberverfettung
- Verdauungsstörungen
- Hormonstörungen
Atembeschwerden
Übergewichtige Hunde leiden häufig unter:
- Kurzatmigkeit
- Verminderter Belastbarkeit
- Verstärkten Problemen bei hitzeempfindlichen Rassen
- Schlafapnoe
Erhöhtes Operationsrisiko
Bei notwendigen Operationen entstehen zusätzliche Risiken:
- Erschwerte Narkose
- Verlängerte Heilungszeiten
- Höheres Komplikationsrisiko
- Schwierigere Wundheilung
Verkürzte Lebenserwartung
Studien zeigen: Übergewichtige Hunde leben durchschnittlich 2 Jahre kürzer als normalgewichtige Artgenossen.
Diese gesundheitlichen Folgen sind keine theoretischen Risiken – ich erlebe in meiner täglichen Arbeit immer wieder Hunde, die genau darunter leiden. Da ist zum Beispiel Luna, eine achtjährige Labrador-Hündin, die wegen ihrer Gelenkprobleme kaum noch Treppen steigen kann. Oder Max, ein übergewichtiger Mops, der bei warmem Wetter schon nach kurzen Spaziergängen nach Luft japst.
Wie kommt es zum Übergewicht beim Hund?
„Aber ich füttere doch gar nicht so viel!“ – diesen Satz höre ich oft von Hundebesitzern von übergewichtigen Hunden. Die Wahrheit ist: Meist schleichen sich die überflüssigen Kilos ganz langsam ein. Es sind die kleinen Entscheidungen im Alltag, die sich summieren:
Fütterungsfehler
- Zu große Portionen
- Zu energiereiches Futter
- Zu viele Leckerlis
- Unregelmäßige Fütterung
- Tischreste und menschliche Nahrung
Mangelnde Bewegung
- Zu wenig Auslauf
- Zu wenig intensive Bewegung
- Fehlende Spieleinheiten
Medizinische Ursachen
- Hormonstörungen (z.B. Schilddrüsenunterfunktion)
- Stoffwechselerkrankungen
- Nebenwirkungen von Medikamenten
- Kastrationsfolgen
Psychologische Faktoren
- „Futter als Liebe“-Mentalität der Besitzer
- Stress oder Langeweile beim Hund
- Gewohnheitsbildung durch Betteln
Medizinische Ursachen für Übergewicht genauer betrachtet
Wenn dein Hund trotz ausgewogener Ernährung und regelmäßiger Bewegung nicht abnimmt, können medizinische Ursachen dahinterstecken. Dies solltest du unbedingt mit deinem Tierarzt abklären.
Die Schilddrüse – der unterschätzte Stoffwechselmanager
Eine Ursache für Übergewicht ist die Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)Stell dir die Schilddrüse wie einen Dirigenten vor, der den Stoffwechsel deines Hundes steuert. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) spielt dieser Dirigent zu langsam – und der gesamte Stoffwechsel verlangsamt sich. Die Folgen merkst du oft schleichend:
- Dein Hund wird zunehmend träger
- Das Fell verliert an Glanz
- Trotz normaler Futtermengen nimmt er zu
- Er friert schneller als früher
Die gute Nachricht: Eine Schilddrüsenunterfunktion lässt sich mit Medikamenten gut behandeln. Meist sieht man schon nach wenigen Wochen deutliche Verbesserungen.
Das Cushing-Syndrom – wenn der Körper zu viel Cortisol produziert
Eine weitere heimtückische Erkrankung ist das Cushing-Syndrom. Dabei produziert der Körper zu viel vom Stresshormon Cortisol. Das führt zu einem typischen Erscheinungsbild:
- Gewichtszunahme, besonders am Bauch
- Erhöhter Durst und häufigeres Wasserlassen
- Dünner werdendes Fell
- „Hängebauch“-Entwicklung
Cushing tritt besonders häufig bei älteren Hunden auf. Die Diagnose ist manchmal knifflig, aber mit der richtigen Behandlung können die Symptome gut kontrolliert werden.
Die Kastration – mehr als nur eine OP
Die Kastration ist für viele Hundebesitzer eine selbstverständliche Entscheidung. Was viele nicht wissen: Nach dem Eingriff verändert sich der Stoffwechsel deines Hundes grundlegend. Der Energiebedarf sinkt um etwa 20-25%. Wenn du die Futtermenge nicht entsprechend anpasst, sind die zusätzlichen Kilos vorprogrammiert.
Typische Anzeichen nach einer Kastration:
- Geringerer Energieverbrauch
- Oft erhöhter Appetit
- Verändertes Aktivitätslevel
- Langsamerer Stoffwechsel
Medikamentengabe
Auch bestimmte Medikamente können als Nebenwirkung zu Gewichtszunahme führen. Besonders Cortison-Präparate steigern oft den Appetit und fördern die Einlagerung von Fett. Wenn dein Hund solche Medikamente nehmen muss, sprich mit deinem Tierarzt über Möglichkeiten, die Nebenwirkungen zu minimieren.
Übergewicht bei Welpen – ein besonders heikles Thema
„Er ist halt noch im Wachstum“ – diesen Satz hört man oft, wenn Welpen etwas pummeliger sind. Doch gerade in der Wachstumsphase ist das richtige Gewicht besonders wichtig. Ein übergewichtiger Welpe hat nicht nur mit aktuellen Problemen zu kämpfen, sondern riskiert auch langfristige Gesundheitsschäden.
In den ersten Lebensmonaten entwickeln sich Knochen, Gelenke und Organe deines Welpen. Zu viel Gewicht in dieser sensiblen Phase kann zu bleibenden Schäden führen. Besonders bei großen Rassen drohen Wachstumsstörungen und Gelenkprobleme, die den Hund sein Leben lang begleiten werden.
Wie erkennst du, ob dein Welpe zu schwer ist? Auch hier gilt der Body Condition Score, allerdings mit etwas anderen Maßstäben als bei erwachsenen Hunden. Ein gesunder Welpe sollte:
- Eine leicht erkennbare Taille haben
- Weich gepolsterte, aber fühlbare Rippen haben
- Verspielt und aktiv sein
- Keine Fettpolster am Hals oder Schwanzansatz zeigen
Wächst dein Welpe zu schnell oder wird er zu schwer, reagiere sofort:
- Überprüfe die Futtermenge – Welpen brauchen zwar viel Energie, aber die richtige Menge ist entscheidend
- Achte auf welpengerechte Bewegung – kein Leistungssport, aber regelmäßiges Spielen und Toben
- Vermeide zusätzliche Leckerlis während der Erziehung – nutze lieber einen Teil der normalen Futterration
- Lass regelmäßige Gewichtskontrollen beim Tierarzt machen
Wann du unbedingt zum Tierarzt solltest
Bei bestimmten Warnsignalen ist eine tierärztliche Untersuchung unverzichtbar:
- Plötzliche Gewichtszunahme ohne erkennbaren Grund
- Stark erhöhter Durst
- Auffällige Müdigkeit
- Fellveränderungen
- Bewegungsunlust
- Atemnot bei leichter Belastung
Von der Erkenntnis zur Handlung: Übergewicht adé
Wie ist dein Quick Check ausgefallen? Falls du festgestellt hast, dass dein Hund in einigen Punkten Anzeichen von Übergewicht zeigt, ist das der erste wichtige Schritt zur Veränderung.
Der beste Zeitpunkt, etwas gegen das Übergewicht deines Hundes zu unternehmen, ist jetzt. Je früher du reagierst, desto leichter wird es für dich und deinen Vierbeiner. Mit jedem Tag, den du wartest, wird die Herausforderung größer und die gesundheitlichen Risiken steigen.
Deine nächsten Schritte
Wenn du beim Lesen dieses Artikels festgestellt hast, dass auch dein Hund ein paar Kilos zu viel mit sich herumträgt, dann hab ich hier einen konkreten Aktionsplan für dich:
- Wiege deinen Hund noch heute oder spätestens morgen. Nur mit einem konkreten Ausgangswert kannst du Fortschritte messen. Keine Waage zu Hause? Die meisten Tierarztpraxen bieten kostenlose Wiegetermine an.
- Mach Fotos von deinem Hund – von der Seite und von oben. Diese Vorher-Bilder werden dich später motivieren, wenn du die Fortschritte siehst.
- Schreib eine Woche lang auf, was dein Hund tatsächlich alles frisst. Ja, auch die kleinen Leckerlis zwischendurch! Oft ist uns gar nicht bewusst, wie viel wir unserem Hund wirklich geben.
- Vereinbare einen Termin beim Tierarzt für einen Gesundheitscheck. Lass dabei gleich das ideale Zielgewicht für deinen Hund bestimmen.
In unserem nächsten Artikel „Fitness und Diät – So erreichst du mit deinem Hund das Idealgewicht“ zeige ich dir dann ganz konkret, wie du mit der richtigen Kombination aus Ernährung und Bewegung deinem Vierbeiner beim Abnehmen hilfst. Du wirst sehen: Mit der richtigen Strategie kann fast jeder Hund sein Idealgewicht erreichen und halten.
Denk immer daran: Ein gesundes Gewicht ist das größte Geschenk, das du deinem Hund machen kannst. Damit schenkst du ihm nicht nur mehr Lebensqualität, sondern auch mehr gemeinsame, aktive Jahre mit dir. Also, worauf wartest du noch? Schnapp dir die Waage und leg los!
Quellen u.a.:
Association between life span and body condition in neutered client-owned dogs
Frequency, breed predisposition and demographic risk factors for overweight status in dogs in the UK