Die Diagnose „Arthrose“ ist ein Krankheitsbild, welches dem Hundephysiotherapeuten regelmäßig im Praxisalltag begegnet, denn: 

 

Arthrose ist eine der häufigsten Gelenkerkrankungen des alternden Hundes. Es hieß rund 20% der Hundesenioren leiden an dieser Erkrankung des Bewegungsapparates, ca. 13% davon an einer sog. schmerzhaften Arthrose. Für mein Empfinden sind diese Zahlen zu niedrig gegriffen. Die meisten meiner Seniorenpatienten leiden mehr oder weniger an Arthrosen und deren Folgeerscheinungen. Inzwischen wird die Zahl der betroffenen Hunde auf 80% geschätzt.. Diese Zahl halte ich tatsächlich für realistischer. 

 

Es handelt sich um eine primär nicht entzündliche degenerative (durch Verschleiß bedingte) Gelenkerkrankung, die in einer eingeschränkten und schmerzhaften Gelenkmechanik endet. 

Ein Blick ins Gelenk

Aufbau Gelenk schematisch

 

Die Erkrankung beginnt in der Regel mit sog. Knorpelläsionen oder sog. Mikrotraumen, gefolgt von einer reaktiven Synovialitis, d.h. einer Mehrproduktion der  Synovia (Gelenkflüssigkeit). Durch den gesteigerten Druck und der erhöhten Kapselspannung bilden sich Reizergüsse. 

Der Prozess ist insgesamt knorpel-zerstörend. Um den Druck auszugleichen können später sog. Exostosen und sklerosierende zystische und deformierende Umbauprozesse am subchondalen (unterhalb des Knorpels) Knochen entstehen, sog. Knochenzubildungen.

Knorpel wird also zerstört, Knochenzubildungen werden gebildet. Es entsteht eine Verengung des Gelenkspaltes. 

Das Ende des Prozesses kann eine vollständige Funktionseinbuße des Gelenkes darstellen. Die Hunde können das betroffene Gelenk immer weniger beugen, strecken etc. 

Es können zwei Arten von Arthrose unterschieden werden: 

  • Bei der Primärarthrose erfolgt die Knorpeldegeneration ohne ersichtlichen Grund bzw. aufgrund natürlicher Knorpelabbauprozesse als Alterserscheinung.
  • Weitaus häufiger sind Sekundärarthrosen, welche aufgrund von vorhergegangenen Gewebeschädigungen entstehen.

 

Ihre möglichen Ursachen

Die Ursachen von Arthrosen sind vielschichtig und nicht immer exakt bestimmbar. 

Zum einen können Erbfaktoren wie Rassedisposition oder Gliedmaßenfehlstellungen eine Rolle spielen, s. Rassen wie die englische Bulldogge mit ihren ausgestellten Vorderbeinen oder der deutsche Schäferhund aus Showlinie mit seinem abfallenden Rücken etc.

Zum anderen wirken Entwicklungsstörungen wie OCD (Knorpelgewebe im Gelenk wächst beim Junghund weiter, ohne zu verknöchern. Der Knorpel wird zu dick, um versorgt zu werden, Teile des Knorpels „hungern“ und können absterben. Häufig stößt das gesunde Gewebe das tote Gewebe ab, mit der Folge, dass Teile des Gelenkknorpels absplittern, sogenannte „Gelenkmäuse“) oder fehlende Vereinigung von Ossifikationszentren entscheidend bei der Arthrosebildung mit.

Auch andere Fehlentwicklungen haben Arthrose zur Folge. Klassische Beispiele sind die Hüftgelenksdysplasie, Ellbogendysplasie, Patellaluxation, Fehlstellungen.

Zudem gibt es natürlich die erworbenen Faktoren wie Traumen, Fehlbelastungen,  Übergewicht, Sehnenschäden, entzündliche Gelenkerkrankungen, Kreuzbandriss, operative Gelenkeröffnungen, etc. All dies begünstigt bzw. fördert eine Erkrankung früher oder später.

 

Für viele Hunde erhöht sich also im Laufe des Lebens das Risiko für eine Arthroseerkrankung, insbesondere für übergewichtige Hunde, Hunde mit Fehlentwicklungen und Sporthunde aufgrund von Verletzungen.  

 

Der Krankheitsverlauf

In der Regel verläuft eine Arthroseerkrankung schubweise. Phasen mit Entzündungen und starken Schmerzen wechseln sich mit Phasen ab, in denen die Symptomatik geringer und/oder die Gelenkbeweglichkeit höher ist. 

Man unterscheidet vier Phasen: 

 

  • Die erste Phase ist die sog. Frühphase, in der kleinste Risse im hyalinen Knorpel entstehen. 
  • Die zweite Phase wird als  Übergangsphase bezeichnet. Sie zeichnet sich durch tiefere Risse im Knorpel und Randwulstbildungen (die Gelenkaußenseiten vergrößern sich durch knöcherne Auswüchse) aus. 
  • In der dritten sog. Spätphase sind nur noch sog. Knorpellinsen vorhanden. 
  • In der vierten und letzten Phase ist der Knorpel durch kollagene Fasern (stabile Fasern mit geringer Dehnbarkeit) ersetzt und es kommt zur endgültigen Verknöcherung im Gelenk.

 

Arthrosenentwicklung

Entwicklung einer Arthrose schematisch

 

Die Schmerzen beruhen u.a. auf der Abhebung des Periost durch marginale Osteophyten (Knochenzubildungen am Gelenkrand), den Druck auf freiliegende subchondale Knochen, Mikrofrakturen, der Einklemmung oder Verletzung der Synovialzotten und/oder Gelenkkapselentzündungen.

Grundsätzlich können alle Gelenke betroffen sein. Häufig betroffene Gelenke sind Schulter-, Ellbogen-, Zehen-, Hüft- und Kniegelenke.

 

Wie zeigt sie sich? Mögliche Symptome

Folgende Symptome können ständig oder phasenweise beim Hund auftreten:

 

  • Schmerzen in Bewegung, die in Ruhe vergehen können
  • Verstärkung der Beschwerden durch Temperatur-, Feuchtigkeits- und Luftdruckerscheinungen
  • Lahmheiten im primär oder sekundär betroffenen Bereichen
  • teilweise warme und verdickte Gelenke
  • Bewegungsunlust oder Vermeidung von Bewegungen wie Springen
  • verändertes Sozialverhalten wie kein Spielen mehr etc
  • Knabbern oder Belecken von Gelenken
  • Berührungsempfindlichkeit von Gelenken
  • Steifheit nach Ruhephase also Anlaufschmerz, sog. „Warmlaufen“ nötig

 

Und dann? Mögliche Folgen der Erkrankung

Die eingeschränkte Funktionalität des betroffenen Gelenks kann weitreichende Folgen nach sich ziehen. Durch die Schmerzen erfolgt in der Regel eine Schonhaltung bzw. Schongang des Hundes. Durch diese entstehen mittel-bis langfristig zum einen Muskelatrophien im direkt betroffenen Bereich und zum anderen aufgrund der Umverteilung des Gewichts über die Rückenmuskulatur Überlastungen in anderen Bereichen, die wiederum zu Schmerzen und Verspannungen führen. Zudem entstehen durch die Fehlstatik auch Sekundärschäden in den benachbarten Gelenken, die wieder Arthrosen zur Folge haben können. 

 

Therapie und Behandlungsmöglichkeiten

Zum einen kann natürlich mit Schmerzmitteln gearbeitet werden. Es gibt verschiedene Schmerzmittel, die in Frage kommen. Inzwischen gibt es auch ein Mittel, welches ca. alle 4 Wochen gespritzt wird (Librela). Der Vorteil der Spritze ist die Schonung des Magens etc, dennoch hat auch diese Mittel Nebenwirkungen. Insbesondere bei älteren Patienten ist eine Therapie mittels Schmerzmittel durchaus angebracht. Allerdings betrachte ich diese nicht als alleine zielführend, sondern empfehle ganz klar eine zeitgleiche Therapie mittels Physiotherapie und Osteopathie etc. 

Therapieziele bei der physiotherapeutischen Behandlung sind Kontrolle der Schmerzen bzw. ihre Minderung, Optimierung der Gelenkfunktion, Erhaltung und Entspannung der Muskulatur, Verbesserung der funktionellen Fähigkeiten und last but not least die Erhaltung bzw. Steigerung des Lebensqualität.

 

Lebensfreude

Lebens- und Bewegungsfreude auch im Alter

 

Der Therapeut hat grundsätzlich eine Vielzahl an Behandlungsmöglichkeiten. Entscheidend ist, den Hund als Individuum wahrzunehmen und einen passenden Behandlungsplan aufzustellen. Zudem muss dieser je nach aktuellem Zustand des Patienten angepasst und/oder erweitert werden. Meine Arthrose-Patienten kommen zwischen alle 2 bis 4 Wochen zur Behandlung. 

 

Grundlegende Überlegungen, die in Absprache mit dem behandelnden Tierarzt und dem Patientenbesitzer erfolgen sollten, sind:

  • Ist eine Gewichtsreduktion nötig? Der Abrieb des Gelenkknorpels wird durchaus durch diese Überlastung weiter begünstigt
  • Macht eine Futterumstellung sinnvoll? Je nach aktueller Fütterung kann es sinnvoll sein auf getreidefreies Futter mit hochwertigen Proteinen etc umzustellen. Ggf. sollte eine Ernährungsberatung hinzugezogen werden.
  • Sollten Futterzusätze eingegeben werden? z.B. Grünlippenmuschelextrakt, Teufelskrallenwurzel etc. Hier empfehle ich mit Einzelkomponenten zu arbeiten.
  • Möchte der Hundebesitzer neben der Physiotherapie weitere Alternativmedizin einbringen? z.B. Homöopathie, Kräuter, etc

Die meisten Hunde können mittels verschiedener Behandlungstechniken eine Linderung ihrer Schmerzen erfahren und ihre Mobilität kann länger erhalten bleiben als ohne begleitenden Physiotherapie etc. 

Was du als Hundehalter für deinen Hund tun kannst:

 

Hund und Halter als Team

Zusammen mit der Arthrose leben

 

  • ggf. Schmerzmittel durch den TA “verschreiben” lassen
  • zur Behandlung in einer Physiotherapie-Praxis
  • ggf. Futterumstellung und/oder Nahrungsergänzungsmittel (mit Hilfe einer Ernährungsberatung)
  • Warm Up für jegliche körperliche Aktivität, d.h. auch beim Spaziergang bleibt dein Hund die ersten Minuten an der Leine und darf sich und seine Gelenke “warmlaufen”
  • ggf. Mantel, der Hüfte und Schultern bedeckt oder wärmende Bandagen für die betroffenen Gelenke
  • vor dem Spaziergang empfinden manche Hunde paar Minuten unter einer Wärmelampe als angenehm
  • ggf. sehr warme Gelenke nach dem Spaziergang leicht abkühlen
  • nach Absprache mit Therapie-Praxis ggf. Bewegungstherapie/Übungen für Zuhause um die Mobilität möglichst lang zu erhalten
  • ggf. auch Hinzuziehen einer Tierheilpraxis für weitere Alternativmedizin wie z.B. Blutegel, Kräuter, Aromaöle etc
  • orthopädisches Hundebett bereitstellen
  • ggf. im Winter Hund auch nachts warmhalten
  • generell gilt auch hier: wer rastet, der rostet. Ein Arthrose-Patient darf und soll sich weiter moderat bewegen

 

Arthrose gilt bislang als unheilbar, aber mit den entsprechenden Maßnahmen können die betroffenen Hunde noch lange ein schönes aktives Leben genießen. 

 

Alter Hund mit Lebensfreude

Gutes Schmerzmanagement hilft bei Arthrose