Zum Abschluss meiner Ausbildung zur Pferdephysiotherapeutin habe ich – neben mehreren anderen Prüfungsteilen – eine sog. Facharbeit geschrieben. Teile dieser Arbeit werde ich nun hier in meinem Blog veröffentlichen. 

Die durchgeführte Mini-Studie untersucht, inwieweit sich Longieren auf Pferde mit Rückenproblematiken auswirkt. 

Der empfindliche Rücken der Pferde

Viele Pferde haben Rückenprobleme

Die untersuchten Rückenproblematiken waren:

  • verspannte (3 Einzelfälle) sowie 
  • atrophierte Rückenmuskulatur (3 Einzelfälle). 

Nach dem Ausgangsbefund der jeweiligen Pferde erfolgte das Longieren in drei Phasen zu je 14 Tagen ohne andere Aktivitäten wie Reiten, Fahren, etc. 

Dabei wurden die verschiedenen Methoden:

 mit Hilfsmitteln kombiniert eingesetzt. 

Nach jeder Phase erfolgte wieder eine vergleichende Befundung der Pferde. 

Mich hat interessiert, welche der verschiedenen Longiertechniken bei o.g. Problematik am effektivsten, am einfachsten umsetzbar und am wenigsten fehleranfällig ist. Die Auswertungen ergaben spannende Einsichten.

Zudem wurde die Analyse durch Überlegungen zu Kosten und Handling (Zeiteinsatz, Gefahrenpotential für Reiter und Pferd) ergänzt sowie abgerundet durch konkrete Anwendungsvorschläge für Pferdebesitzer und Pferdephysiotherapeuten.

 

Teil I der Artikelreihe:

Die schwache und / oder verspannte Rückenmuskulatur aus biomechanischer Sicht 

 

Kurzer Überblick über den passiven Bewegungsapparat:

Unter dem passiven Bewegungsapparat versteht man das Skelett des Pferdes

Der Pferdeschädel ist knöchern mit der Halswirbelsäule verbunden (OcciputcondylenAtlas). Die Halswirbelsäule selbst besteht aus sieben Halswirbelkörpern und verläuft s-förmig hin zur Brustwirbelsäule. Im Halsbereich besteht die größte Beweglichkeit. 

Die Brustwirbelsäule besteht aus 18 Wirbelkörpern mit 18 Rippen; davon sind in der Regel acht Rippen sog. Trage- oder echte Rippen (die mit dem Brustbein verbunden sind) und zehn sog. Atmungs- oder unechte Rippen, die u.a. auch als Auflagefläche für den langen Rückenmuskel (M. longissimus dorsi) dienen. In diesem Bereich sind große Dornfortsätze (Procc. spinosi) und kleine Querfortsätze (Procc. transversi) an den Wirbelkörpern zu finden; dabei neigen sich die vorderen Dornfortsätze nach caudal und die hinteren nach cranial; ca. beim 13. Brustwirbel steht der Dornfortsatz senkrecht. Insgesamt ist die Brustwirbelsäule nur wenig beweglich. 

Die Lendenwirbelsäule besteht in der Regel aus sechs Wirbelkörpern, mit zu 20 cm langen Querfortsätzen. Diese sind die Ansatzbasis für den M. longissimus dorsi. Bedingt durch die langen Procc. transversi liegt hier kaum Beweglichkeit vor.

Das Kreuzdarmbein besteht aus fünf Segmenten, die ca. ab dem fünften Lebensjahr endgültig miteinander verschmolzen sind. Anschließend hat das Pferd 15-21 Schwanzwirbel. 

 

Die Rückenmuskulatur:

Hauptsächlich von Problemen betroffen ist der sog. Lange Rückenmuskel, der M. longissimus dorsi, bestehend aus M. longissimus lumborum, thoracis, cervicis sowie atlantis. 

Dieser ist einer der stärksten Bewegungsmuskel des Pferdes, d.h. er dient im Gegensatz zur weitläufigen Meinung vieler Reiter nicht als Tragemuskel, sondern zur Fortbewegung; erkennbar an dem hohen Fleischanteil des Muskels im Gegensatz zu hohen Bindegewebsanteilen bei Tragemuskeln. 

Der M. longissimus dorsi stellt die Verbindung zwischen Brustwirbelsäule und Becken dar. Er hat seinen Ursprung jeweils an den Procc. spinosi des Kreuzdarmbeines, der Lendenwirbel und der Brustwirbel und seinen Ansatz jeweils an den Procc. transversi der Lendenwirbel und Brustwirbel, an den Rippenhöckerchen und an den Procc. transversi des 7. Halswirbels.

Sein Faserverlauf ist horizontal. Er liegt paarig rechts und links neben der Wirbelsäule. Er ist ein Feststeller und Strecker der Wirbelsäule, eine Rumpfheber, also auch Aufrichter der Vorhand, und ein Heber von Hals und Kopf. Er spielt eine entscheidende Rolle bei sämtlichen großen Bewegungsabläufen des Pferdes. 

Weitere wichtige Muskeln im Rückenbereich sind: 

  • der sog. Breite Rückenmuskel, der M. latissimus dorsi, der seinen Ursprung mit einer breiten Aponeurose verbunden am Lig. Supraspinale und vom 3./4. Brustwirbel bis 6. Lendenwirbel hat und dessen Ansatz medial am proximalen Humerus zusammen mit der Endsehne des M. teres major zu finden ist. Er dient als wichtigster Rückwärtszieher der Gesamtvordergliedmaße unter Beugung des Buggelenks, Vorzieher des Rumpfes und er ist Antagonist des M. brachiocephalicus
  • die Mm. multifidii, die jeweils zwischen bzw. an den Wirbelkörpern sitzen und deren Hauptaufgabe die Stabilisation der Wirbelsäule ist
  • der M. spinalis (zwischen den Procc. spinosi), der der Fixierung von Hals und Rücken dient und 
  • der M. iliocostalis, der ebenfalls den thorakalen und lumbalen Bereich stabilisiert und Einfluß bei der Lateroflexion hat.

 

Merksatz 1: Der lange Rückenmuskel ist in erster Linie ein Bewegungsmuskel und kein Tragemuskel.

 

Das Zusammenspiel mit anderen Muskeln und Bändern:

Wichtig für das Zusammenwirken des M. longissimus dorsi mit den übrigen Partien ist u.a. die Nacken-/Rückenbandkonstruktion. 

Das Nackenband, Ligamentum nuchae, besteht aus dem Nackenstrang, dem Funiculus nuchae, der von der Hinterhauptsschuppe des Schädels zu den Procc. spinosi des Widerristes geht und mit seiner 4-5 cm Dicke sehr stabil ist, und der Nackenplatte, der Lamina nuchae, die fächerförmig von der Halswirbelsäule (ab Axis) abgeht. Das Rückenband, Ligamentrum supraspinale, geht vom Widerrist weiter über die Lendenwirbelsäule zum Kreuzdarmbein. 

Dehnt sich nun der Hals – wie beim korrekten Vorwärts-Abwärts – zieht das Nackenband zusammen mit den Halsmuskeln die Dornfortsätze der vorderen Brustwirbel nach cranial; durch das Untertreten entsteht Zug auf das Rückenband, welches wiederum die hinteren Wirbel nach caudal zieht. So werden die Abstände zwischen den Wirbelkörpern größer, der Rücken kann frei schwingen, sich aufwölben und der M. longissimus dorsi wird wechselseitig gedehnt (im Schritt und Trab, im Galopp leichte Verschiebung) und vor allem entlastet.

Zur Unterstützung der Rückenmuskulatur dient vor allem auch die Bauchmuskulatur.  

Diese gewährleistet die Stabilisation des Rumpfes. Sie verrichtet im Stehen Tragearbeit und zählt in der Bewegung auch zu den Bewegungsmuskeln, siehe der Galopp, bei dem die Bauchmuskeln (s.o.) die Hinterhand unter den Rumpf ziehen.  Da sie mehr Tragearbeit leisten kann als die Rückenmuskulatur, sollte sie ebenfalls gut trainiert sein.

Bauchmuskulatur als wichtiger Part beim Galopp

Kraft, Mobilität und Flexibilität als Voraussetzungen für einen gesunden Galopp

Auch die Halsmuskulatur hat Einfluss auf die Rückenmuskulatur, vor allem über das Bandsystem (s.o.). Des Weiteren ist die Muskulatur über die Rückenfaszie mit der Kruppenmuskulatur und über den breiten Rückenmuskel, M. latissimus dorsi, mit der Vordergliedmaße verbunden. Somit werden positive wie negative Spannungszustände in diese Bereiche übertragen. Der losgelassene, unverkrampfte lange Rückenmuskel ist maßgeblich für eine gesunde und natürliche Bewegung des Pferdes.

Im 2. Teil der Reihe gehe ich auf mögliche Ursachen und Auswirkungen von Rückenproblemen bei Pferden ein.