Wie belastend ist die Hundesportart Mantrailing denn für den Hund? Schauen wir uns diese beliebte Beschäftigung für Hunde aus physiotherapeutischer Sicht an:

Was ist Mantrailing?

Mantrailing ist eine Hundesportart, die auf den natürlichen Fähigkeiten des Hundes basiert, individuelle menschliche Gerüche zu verfolgen. Anders als beim klassischen Fährtensuchen, bei dem der Hund Bodenverletzungen und allgemeine Geruchsveränderungen verfolgt, konzentriert sich der Hund beim Mantrailing spezifisch auf den individuellen Geruch einer bestimmten Person. Diese Person – der „Vermisste“ – hinterlässt während des Gehens, Stehens oder Sitzens kontinuierlich Hautschuppen und andere Partikel, die einen einzigartigen Geruchskorridor bilden.

Der Begriff „Mantrailing“ setzt sich aus den englischen Wörtern „man“ (Mensch) und „trail“ (Spur) zusammen. Ursprünglich wurde diese Fähigkeit der Hunde vor allem im Rettungsdienst und bei der Polizeiarbeit genutzt. Mittlerweile hat sich Mantrailing jedoch zu einer beliebten Freizeitbeschäftigung entwickelt, die Mensch und Hund gleichermaßen fordert und fördert.

Beim Mantrailing bewegt sich der Hund an einer speziellen, meist längeren Leine (in der Regel eine Schleppleine) und trägt in der Regel ein Brustgeschirr. Der menschliche Begleiter folgt dem Hund und muss lernen, die Signale des Hundes richtig zu interpretieren und ihn bei seiner Suche zu unterstützen, ohne dabei zu stören.

Physiologische Belastungen beim Mantrailing

Als Hundesport stellt Mantrailing eine sog. Low Impact Sportart dar. Dennoch sollten wir uns den besonderen Anforderungen an den Organismus unserer Hunde bewusst werden. Aus physiotherapeutischer Sicht ist das Verständnis dieser Belastungen essenziell für eine gesunde Ausübung des Sports:

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Auch Mantrailing hat seine Belastungsmomente. Diese solltest du kennen. Bild: VitaliTier

Muskuläre Belastung beim Mantrailing

Beim Mantrailing wird vor allem die Rumpfmuskulatur stark beansprucht. Der Hund muss seinen Körper kontinuierlich ausbalancieren, besonders wenn er auf unebenem Gelände oder in Kurven arbeitet. Die tiefe Rückenmuskulatur, die Bauchmuskulatur sowie die stabilisierende Schulter- und Beckenmuskulatur sind konstant aktiv. Zudem werden je nach Untergrund die Beinmuskulatur und die propriozeptiven Fähigkeiten (Tiefensensibilität) gefordert.

Kardiovaskuläre Belastung beim Mantrailing

Die Suche kann je nach Schwierigkeitsgrad und Länge des Trails eine erhebliche Ausdauerbelastung darstellen. Der Hund muss über längere Zeit konzentriert arbeiten, wobei sein Herz-Kreislauf-System kontinuierlich gefordert wird. Besonders bei sehr intensiven Suchphasen oder extremen Witterungsbedingungen kann es zu hohen kardiovaskulären Belastungsspitzen kommen.

Kognitive Belastung

Ein oft unterschätzter Aspekt ist die mentale Belastung beim Mantrailing. Die olfaktorische (geruchliche) Verarbeitung, die Konzentration auf den spezifischen Geruch trotz zahlreicher Ablenkungen und die Entscheidungsfindung bei der Spurverfolgung fordern das Gehirn deines Hundes enorm. Diese mentale Arbeit kann ebenso ermüdend sein wie körperliche Anstrengung.

Atmungssystem beim Mantrailing

Das intensive Schnüffeln während der Sucharbeit bedeutet eine spezifische Belastung des respiratorischen Systems. Hunde atmen beim Schnüffeln bis zu 300 Mal pro Minute, während sie in Ruhe nur etwa 30 Mal pro Minute atmen. Diese veränderte Atemfrequenz und -technik kann besonders bei brachyzephalen (kurzköpfigen) Rassen zu Überlastungen führen.

Gelenk- und Bandapparatbelastung beim Mantrailing

Abhängig vom Gelände kann Mantrailing eine Belastung für Gelenke und Bänder darstellen. Besonders beim Arbeiten auf rutschigem Untergrund, beim Überwinden von Hindernissen oder bei schnellen Richtungswechseln werden die Gelenke stark beansprucht.
Physiotherapeutische Maßnahmen für den Mantrailing-Hund

Präventive Maßnahmen für Mantrailing für den Hund

Als verantwortungsvoller Hundesportler kannst Du eine Vielzahl von Maßnahmen ergreifen, um deinen Hund optimal zu unterstützen:

Aufwärmtraining:

Wie bei jedem Sport ist ein adäquates Aufwärmen essenziell. In der Regel reicht ein kurzes Warm-Up. Ein paar Minuten locker gehen und traben. Sanfte Slalomläufe um deine Beine, über niedrige Hindernisse steigen und Mobilisation von Hals- und Brustwirbelsäule bereiten den Körper optimal auf die bevorstehende Belastung vor.

Regelmäßige Check-Ups:

Lass deinen Hund regelmäßig von einem auf Sportphysiotherapie spezialisierten Hundephysiotherapeuten untersuchen. So können sich anbahnende Probleme frühzeitig erkannt und behandelt werden, bevor sie zu ernsthaften Einschränkungen führen.

Ausrüstungskontrolle:

Ein für die individuelle Anatomie deines Hundes optimal angepasstes Geschirr ist unerlässlich, stellt jedoch gleichzeitig eine besondere Herausforderung dar. Viele handelsübliche Geschirre können zu muskulären Dysbalancen, Verspannungen und fasziale Verklebungen führen. Achte unbedingt darauf, dass das Brustgeschirr hinter dem Schulterblatt sitzt und die natürliche Vorwärtsbewegung nicht blockiert. Der Bereich zwischen Schulterblatt und Brustkorb (Achselbereich) muss komplett frei bleiben, um Scheuerstellen und Druckpunkte zu vermeiden. Lass Dich bei der Auswahl idealerweise von einem Hundephysiotherapeuten beraten, der die biomechanischen Auswirkungen verschiedener Geschirrsysteme einschätzen kann.

Wie belastend ist Mantrailing für den Hund?

Boden, Geschirr, Zug etc – alles zu berücksichtigende Gegebenheiten beim Mantrailing. Bild: VitaliTier

Begleitende Maßnahmen für Mantrailing

Ausgleichstraining:

Integriere regelmäßig Übungen zur Stärkung der Tiefenmuskulatur in den Trainingsalltag, z.B. kontrolliertes Bergauf- und Bergablaufen oder das Überqueren von Cavaletti-Stangen sind hervorragend geeignet, die propriozeptiven Fähigkeiten und die Kernmuskulatur zu trainieren.

Gezieltes Hundefitnesstraining:

Ein strukturiertes Hundefitnesstraining ist eine sinnvolle Ergänzung zum eigentliche Training, um die beim Mantrailing stark beanspruchte Rumpfmuskulatur zu kräftigen und damit Rückenproblemen vorzubeugen. Besonders effektiv sind folgende Übungen:

  • Positionswechsel-Training: Diese fundamentale Übung fördert die Körperwahrnehmung und stärkt gezielt die tiefe Rumpfmuskulatur. Für tiefergehende Anleitungen und Progressionsmöglichkeiten dieser Übung bietet sich mein spezieller Online-Kurs „Rockin´the basics“ an.
  • Pfotenarbeit auf erhöhten Objekten: Lasse Deinen Hund mit seinen Vorderpfoten auf einem stabilen, leicht erhöhten Gegenstand (z.B. einer niedrigen Stufe oder einem Buch) stehen. Diese Position fordert die Tiefenmuskulatur im Rücken- und Lendenbereich. Steigere die Schwierigkeit, indem Du ihn bittest, langsam eine Pfote nach der anderen zu heben und wieder abzusetzen. Dies fördert nicht nur die Rumpfstabilität, sondern auch die Koordination und das Gleichgewicht – wichtige Faktoren für die sichere Navigation in schwierigem Terrain beim Mantrailing.
  • Mobilisation der Hals- und Brustwirbelsäule: Bei der intensiven Schnüffelarbeit wird die Hals- und Brustwirbelsäule besonders beansprucht. Gezielte sanfte Mobilisationsübungen können Verspannungen lösen und die Beweglichkeit verbessern. Führe vorsichtige aktive Mobilisierungen durch, indem Du mit einem Leckerli den Kopf Deines Hundes langsam in verschiedene Richtungen führst (oben, unten, seitlich). Für die Brustwirbelsäule eignen sich behutsame Rotationsübungen, bei denen Du den Hund anleitest, im Stehen den Kopf zur Hüfte zu drehen. Diese Übungen sollten stets sanft und ohne Widerstand ausgeführt werden.

Faszientraining:

Die gezielte Arbeit mit der Faszie – dem Bindegewebe, das Muskeln, Sehnen und Organe umhüllt – gewinnt auch in der Hundephysiotherapie zunehmend an Bedeutung. Spezielle Techniken können die Gewebespannung regulieren und die Regeneration fördern. Frag deinen Hundephysiotherapeuten nach Vorschlägen oder buche dir ein 1:1 Online-Coaching bei mir.

Regenerative Maßnahmen

Regenerative Maßnahmen solltest du auch beim Low Impact Sport Mantrailing beachten und durchführen.

Cooldown-Phase:

Plane nach jeder intensiven Trainingseinheit eine Abkühlphase ein. Ein ruhiger, etwa 15-minütiger Spaziergang ohne Suche hilft dem Organismus, in den Ruhemodus zurückzukehren und fördert den Abtransport von Stoffwechselprodukten aus der Muskulatur.

Massage:

Erlerne grundlegende Massagetechniken, die du nach dem Training anwenden kannst. Besonders die Effleurage und Pétrissage können die Durchblutung fördern und Verspannungen lösen. Achte besonders auf die häufig verspannte Schulter- und Rückenmuskulatur. Du möchtest lernen, wie du deinem Hund eine passende Massage selber geben kannst? Dann empfehle ich dir meinen Online-Vortrag “Massage am eigenne Hund”, in dem du alles Wichtige lernst.

Ausreichende Erholungszeiten:

Plane zwischen intensiven Trainingseinheiten ausreichend Regenerationsphasen ein. Je nach Alter, Fitnesszustand und Intensität des Trainings sind 24-48 Stunden Erholung angemessen. Bedenke dabei: Auch mentale Erholung ist wichtig!

Individuelle Anpassungen beim Mantrailing

Einer meiner Hauptanliegen beim Thema Hundesport (neben Warm-Up etc) ist die passende Wahl der Sportart sowie die Anpassungen bzgl. der Ausführung der gewählten Sportart an den individuellen Hund.

Altersgerechtes Training:

Passe das Training dem Alter deines Hundes an. Während Welpen und Junghunde noch keine langen, anspruchsvollen Trails bewältigen sollten, benötigen Seniorhunde möglicherweise kürzere, aber dafür häufigere Trainingseinheiten.

Rassespezifische Besonderheiten:

Berücksichtige unbedingt die anatomischen und physiologischen Besonderheiten der Rasse deines Hundes. Tiefbrüstige Rassen wie Dobermann, Deutscher Schäferhund oder Windhunde benötigen intensive Arbeit an der Rumpfstabilität, ebenso wie Hunde, die sehr flexibel in der Wirbelsäule sind (z.B. Border Collies, Australian Shepards, etc).

Brachyzephale (kurzköpfige) Rassen wie Mops, Französische Bulldogge oder Boxer erfordern oft mehr Rücksicht beim Training, was die Temperaturen betrifft. Ihre verkürzte Schnauze und die oft eingeengten Atemwege limitieren die Sauerstoffaufnahme, weshalb kürzere Trainingseinheiten mit häufigeren Pausen und eine besonders sorgfältige Überwachung der Atemfrequenz notwendig sind.

Rassen mit kurzen Beinen wie Dackel oder Bassets haben durch ihre Körperproportionen einen besonderen Bewegungsablauf, der die Bandscheiben stärker belastet. Hier ist ein gezieltes Training der tiefen Rückenmuskulatur sowie eine strikte Kontrolle des Körpergewichts essenziell.

Große und schwere Rassen wie Bernhardiner oder Neufundländer benötigen besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich der Gelenkbelastung. Ihr hohes Körpergewicht belastet die Gelenke überdurchschnittlich stark, weshalb ein langsamer Trainingsaufbau und gezielte Muskelkräftigung zum Gelenkschutz unerlässlich sind.

Gesundheitliche Einschränkungen:

Bei Hunden mit vorbestehenden Erkrankungen (z.B. Hüftdysplasie, Arthrose) ist eine enge Zusammenarbeit mit einem Hundephysiotherapeuten in meinen Augen unerlässlich, um das Training individuell anzupassen.

Fazit

Mantrailing ist eine faszinierende Sportart, die für Hund und Mensch gleichermaßen bereichernd sein kann. Aus physiotherapeutischer Sicht bietet sie – bei verantwortungsvoller Ausübung – ein hervorragendes ganzheitliches Training, das sowohl körperliche als auch mentale Aspekte fördert.

Durch das Verständnis der spezifischen Belastungen und die Integration präventiver, begleitender und regenerativer Maßnahmen kannst Du als verantwortungsbewusster Hundesportler dazu beitragen, dass dein Hund diese Aktivität langfristig gesund und mit Freude ausüben kann.

Bedenke stets: Ein physiotherapeutischer Ansatz im Hundesport bedeutet nicht nur, Probleme zu behandeln, sondern vor allem, sie durch bewusstes Training und achtsamen Umgang zu vermeiden.

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