Als Hundehalter kann es schwierig sein zu entscheiden, ob man mit einem ängstlichen oder aggressiven Hund zur  Hundephysiotherapie gehen sollte. Oft besteht eine Hemmschwelle, denn diese Hunde haben Schwierigkeiten mit neuen Situationen und es besteht die Angst, dass eine Behandlung nicht oder nur sehr schwer möglich sein wird. In diesem Blogartikel werden wir uns mit diesem Thema näher beschäftigen und ich gebe ein paar Tipps für solche Kandidaten.

Ängstlich oder aggressiv?

Ängstlich oder aggressiv? Dennoch ist Physiotherapie möglich!

Die Ursachen für ängstliches oder aggressives Verhalten bei Hunden können vielfältig sein. Manchmal handelt es sich um Verhaltensprobleme, die durch schlechte Erfahrungen oder Traumata ausgelöst werden. In anderen Fällen können medizinische Probleme, wie Schmerzen oder Krankheiten, zu Verhaltensänderungen führen. In allen Fällen können sowohl im Vorfeld als auch beim konkreten Besuch unterstützende Maßnahmen getroffen werden.

 

Der ängstliche Hund

Wenn der Hund ängstlich oder sehr nervös ist, empfehle ich Folgendes:

  • an dem Tag sollte vor dem Termin keine weiteren stressige Termine anstehen. Je ruhiger der Tag bis zum Termin verlaufen ist, desto mehr kann der Hund dann im Termin kooperieren.
  • Lieblingsleckerli oder Spielzeug mitbringen. Viele Hunde lassen sich mittels Leckerli – die ganz Besonderen natürlich – die Situation angenehmer gestalten. Auch sog. Schleckmatten sind eine gute Varianten, da das Schlecken auch eine beruhigende Wirkung entfalten kann.
  • selbstbewusst in die Praxis kommen. Je zuversichtlicher der Hundehalter die neue Situation angeht, desto sicherer fühlen sich viele Hunde. So Manchem hilft es, sich vorab die gut verlaufende Behandlung zu visualisieren um positiv gestimmt und mit Zuversicht den Termin zu beginnen
  • vorab eine konditionierte Entspannung aufzubauen, d.h. der Hund hat bestimmte Worte, Düfte, Decken etc mit Entspannung verknüpft. Diese Sachen werden dann zu Beginn der Therapieeinheit eingesetzt um den Hund zu entspannen.

Der „aggressive“ Hund

Wenn der Hund aggressiv ist bzw. in Stresssituationen mit Aggressivität reagiert, ist es wichtig, dass die Sicherheit aller Beteiligten gewährleistet ist.

  • Zunächst ist es also wichtig, die Praxis vorab darüber zu informieren. Ggf. wird dann der Termin entsprechend zu Randzeiten vergeben etc.
  • der Hund sollte vorab an einen gut sitzenden Maulkorb gewöhnt werden. Die Gewöhnung muss m.E.n. vorab geschehen, denn nur dann empfindet der Hund den Maulkorb nicht als zusätzlichen Belastung in der Praxis-Situation. Der Maulkorb sollte also gut angepasst sein und mittels positiven Training als etwas Alltägliches für den Hund verknüpft sein.
  • Ruhe ausstrahlen. Ist der Hund durch einen Maulkorb gesichert, der Therapeut informiert, kann man deutlich entspannter in die Behandlungssituation gehen. Diese Ruhe kann sich im besten Fall auf den Hund übertragen, das Erregungslevel geht nicht in ungute Höhen und der Hund kann eine positive Erfahrung machen
  • Lieblingsleckerli mitbringen. Diese sollten natürlich maulkorbgerecht sein und besonders schmackhaft sein
  • auch bei diesen Kandidaten hilft manches Mal eine konditionierte Entspannung

Der Hund bestimmt das Tempo!

Sowohl bei den sehr ängstlichen Kandidaten als auch bei „aggressiven“ Hunden ist Zeit und Geduld in meinen Augen das Zauberwort. Ich hatte schon viele dieser Hund in meiner Praxis und sage bereits beim Erstkontakt deutlich: „Der Hund bestimmt das Tempo“.

Es kann also sein, dass beim ersten Termin noch keine direkte Behandlung möglich sein wird. Es kann, dass zunächst erst mittels Geräten eine Therapie gestartet wird, bevor manuelle Techniken eingesetzt werden können. Tatsächlich starte ich in fast allen Fälle auf diesem Wege, denn vielen Hunden scheint es leichter zu fallen erst ohne direkten Kontakt eine Therapieerfahrung zu sammeln.

Rituale helfen

Auch arbeite ich mit einer Form der Konditionierung, in dem ich quasi Rituale aufbaue. So ein Ritual kann z.B. folgendermaßen aussehen: der Besitzer hebt den Hund auf den Tisch oder legt ihn auf der Behandlungsmatte ab. Ich starte mit einer Gerätetherapie, dann folgen manuelle Techniken.

Am Schluss entlasse ich den Hund aus der Behandlung – und dann findet auch kein Körperkontakt mehr statt. So können die Hund einen klaren Start und ein klares Ende erlernen und bekommen Erwartungsicherheit. Dies bringt ein Sicherheitsgefühl und Vertrauen mit sich.

Neben dem Zeit- und Geduldsfaktor im Termin selber spielt die Zeit noch eine weitere Rolle. Ich empfehle dringend mit der Behandlung zu starten BEVOR ein Akutfall eintritt.

Keine falsche Scham!

Alle Hunde profitieren davon als Prophylaxe eine Hundephysiotherapiepraxis und Behandlungen kennenzulernen, bei solchen Hund aber kann es der entscheidende Faktor sein. Denn wenn der Akutfall eintritt und eine Behandlung zügig beginnen sollte, fällt es allen Beteiligten deutlich schwerer die notwendige Geduld aufzubringen.

Aus jahrelanger Erfahrung kann ich sagen: Auch Hunde, die sich nicht von Fremden anfassen lassen möchten, lernen in der Regel eine positive Therapiebasis. Bei den Hunden, deren Halter die Geduld nicht ausgegangen ist, hatte ich bislang stets Erfolge und nach letztlich wenigen Therapieterminen war eine effektive Therapie möglich.

Und für mich ganz wichtig: keine falsche Scham! Ich weiß, wie es ist sein Leben mit so einem Hund zu teilen. Ich weiß um die verzweifelten Momente, die Sorgen, die Gedanken für die Meinung Anderer, etc. In meiner Praxis sind diese Gedanken völlig unnötig.

Flynn - einer von meinen beiden sog. reaktiven Hunden

Flynn – einer von meinen beiden sog. reaktiven Hunden

Zusammengefasst lässt sich m.M.n. sagen: Beginnt man frühzeitig, ohne Druck und mit gewissen Vorabmaßnahmen eine Behandlung, braucht sich niemand davor scheuen mit seinem ängstlichen und/oder aggressiven Hund zu einem Hundephysiotherapeuten zu gehen.  Jeder dieser Hunde, der lernt Vertrauen zu fassen und sich behandeln zu lassen, wird in mehrfacher Hinsicht bereichert.